»Man brauchte Bier früher sowohl als Nahrungsmittel wie auch als Getränk, weil Wasser aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen viel zu verderblich war«, weiß Andreas Alst, »im Mittel alter war Bier im Vergleich zu Wasser das reinere Getränk und so gesehen gesünder.«

Und: Bier war früher sehr sättigend, wies dafür einen im Vergleich zu heute sehr niedrigen Alkoholgehalt von lediglich zwei bis zweieinhalb Prozent auf.

Bierbrauen – das hat Andreas Alst von der Pike auf gelernt und 17 Jahre lang im Hauptberuf ausgeübt. Dann baute er sich eine eigene, kleine, und sehr feine Braumanufaktur auf, die er seit 2018 im Nebenerwerb führt. Wenn der 38-jährige Familienvater vom Brauen erzählt, wie beispielsweise bei Führungen auch für Schulklassen, dann tut er das mit solch anschaulicher Lebendigkeit und Leidenschaft, dass man ihm stundenlang zuhören könnte.

Wäre der frühere Lebenspartner seiner Mutter nicht ebenfalls Bierbrauer gewesen, hätte der Unterentersbacher diesen Beruf wohl nicht ergriffen. Doch der passte für ihn »wie die Faust aufs Auge«, schlug sein Herz doch schon zu Schulzeiten für Naturbezogenes, für Chemie und Biologie vor allem. Das Verständnis für beides ist bei der Herstellung des Lebensmittels »Bier« unabdingbar.

Eine Bier-Ingredienz namens »Zeug«

Bestes Beispiel: Das ursprüngliche bayerische Reinheitsgebot aus dem Jahre 1516. Um bösewichtigen Pantschern das Handwerk zu legen, durfte das Gebräu damals nur aus vier Rohstoffen bestehen: Gerste, Hopfen, Wasser und »Zeug«. Zeug?! Andreas Alst lacht: »So bezeichnete man das, von dem man nicht wusste, was es war. Das, was nach der Gärung in den damals üblichen offenen Bottichen unten lag.«

Dass es sich bei diesem »Zeug« um Hefe handelt, weiß die Menschheit seit 1860. Dank der Genialität Louis Pasteurs – jenes Wissenschaftlers, auf den unter anderem das Pasteurisieren zurückgeht. Die Haltbarmachung also von flüssigen oder pastösen Lebensmitteln, indem unerwünschte Mikroorganismen durch kurzzeitiges Erhitzen vernichtet werden.

Im Bier jedoch soll genau das Gegenteil passieren: Hier sollen Mikroorganismen aktiv werden – und zwar mikroskopisch kleine Pilze, die von Pasteur entdeckten Hefen eben. Einzellige Lebewesen, die beim Bierbrauen willigst Hopfen, Malz und Wasser vergären, denn sie ernähren sich vom in der Maische enthaltenen Zucker, wandeln diesen dabei in Alkohol und Kohlensäure um.

»Sogenannte „untergärige Hefe“ hält sich im Jungbier in der Schwebe auf«, verdeutlicht Andreas Alst, »untergärige Hefe besteht immer aus einzelnen Zellen, die durch die Würze schwimmen und sich ernähren.«

»Obergärige« Hefe hingegen kann man von oben sehen, »deshalb die Namensgebung«. Denn diese Hefe teilt sich bei der Vermehrung nicht komplett in einzelne Zellen, sondern bildet Sprossverbände. Die steigen durch die Kohlensäure, die sie während der Gärung bilden, an die Oberfläche und schwimmen munter obenauf.

Hefestämme werden wiederverwendet

Beide Hefesorten werden wiederverwendet und daher nach jedem abgeschlossenen Gärprozess geerntet – die untergärige Hefe von unten, sie wird nach der Leerung des Bottichs vom Boden abgezogen. Die obergärige Hefe hingegen zieht der Brauer mit einer Hefekrücke von der Schaumdecke ab. Die Erntehefe wird einem neuen Sud wieder frisch beigegeben: »Manche Hefestämme vergären erst nach dem fünften oder sechsten Mal richtig sauber«, findet er, »erst dann sind sie richtig aktiv.«

Während obergäriges Bier wie Hefeweizen warm vergoren wird, bei kuscheligen zwölf bis 25 Grad Celsius, vergärt untergäriges Bier (beispielsweise Pils) bei kalten sechs bis zehn Grad Celsius. Was vor der Erfindung von Kühlgeräten – als man sich mit im Winter gestochenem und im Keller eingelagertem Eis behalf – zur Folge hatte, dass Untergäriges in der hiesigen Region maximal bis in den Mai hinein hergestellt werden konnte. Das sogenannte Märzen war eines der letzten untergärigen Biere, das meistens endgültig letzte der Maibock. »Der wurde stärker angebraut und hatte dadurch einen höheren Alkoholgehalt, was ihn länger haltbar machte«, erläutert Andreas Alst.

»Es gibt Dutzende von Hefestämmen, die man zum Brauen verwenden kann«, erklärt er. Wobei die Gärungsprodukte der verschiedenen Hefen geschmacksprägend sind, etwa ein Hefeweizen nach Banane oder Nelke schmecken lassen können. Für den Gusto zuständig ist auch der Hopfen. Doch der gibt dem Bier nicht nur das Bittere sowie das typische Aroma: Aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften wirkt er sich positiv auf die Haltbarkeit des Gebräus aus.

Gemeinhin wird dieses als Gerstensaft bezeichnet. Tatsächlich aber lassen sich zum Bierbrauen sämtliche Getreidekörner verwenden, die man vermälzen kann. Das ist zunächst Emmer – eine der ersten vom Menschen kultivierten Getreidesorten, dem Dinkel sehr ähnlich und heutzutage kaum noch angebaut. Auch Roggen lässt sich verbrauen, »aber der verkleistert sehr gern, der wird beim Mischen mit Wasser sehr dickflüssig und zäh.«

Dereinst süß und rauchig

Wenn man die Wahl habe, verwende man zum Brauen Gerste oder auch Weizen, so der Fachmann, denn über die Jahrhunderte habe sich herauskristallisiert, dass Gerste die besten Eigenschaften zum Brauen mit sich bringe. »Sie hat die am besten aufgeteilten Inhalts- und Nährstoffe und nicht so viel Eiweiß wie beispielsweise Hafer.« Den verwendet man nur, um ein »sämiges Mundgefühl« beim Bier zu erwirken, oder hohe Schaumstabilität.

Weil der Brauer im Gegensatz zum Bäcker mit dem Mehlkörper im Getreidekorn nichts anfangen kann, lässt man selbiges zunächst keimen. Sobald Enzyme den Mehlkörper aufzulösen beginnen, Stärke in Malzzucker umwandeln und das Korn dadurch zu sprießen beginnt, wird der Prozess durch Erhitzen abgebrochen und das Malz getrocknet.

»Früher konnte man nur über dem offen Feuer trocknen«, erzählt Andreas Alst. Dadurch wurde nicht nur das Malz sehr dunkel und damit auch das spätere, rauchig schmeckende Bier, sondern dasselbe war durch seinen hohen Zuckergehalt zudem sehr süß und nahrhaft. Denn durch die starke und ungleichmäßige Erhitzung »hatte man viel Karamelzucker im gekeimten Korn – und den kann die Hefe nicht in Alkohol aufspalten.«

Was heutzutage bei Malzbieren zum Tragen kommt, machten sich früher Mönche und Nonnen besonders zunutze: für ihre sättigenden Fastenbiere. Denn diese durfte man – wie alles Flüssige – zu sich nehmen, ohne als sündiger Fastenbrecher zu gelten.

Alst selbst hat in seinem Programm dauerhaft vier Biersorten. Seine sprudelnde Kreativität lebt er mit einem pro Monat jeweils speziellen Bier aus. »Wir stellen hochwertige Genussbiere her«, betont er, »keine Rauschmittel.« In diesem Jahr werden vier im Holzfass gereifte Sorten hinzukommen.

Handwerk

Den Ursprung des Bieres sieht man in anfangs wohl eher zufällig vergorenen Getreidebreien, die um 4000 vor Christus vom Volk der Sumerer hergestellt wurden. Der ursprünglich den Göttern geopferte Trunk entwickelte sich zu einem Lebensmittel, dessen Herstellung der Hausfrau oblag und sich später auch bei Römern, Griechen, Kelten und Germanen großer Beliebtheit erfreute. Hopfen wurde erst im Mittelalter zum Bestandteil der Rezeptur.