Jennifer Baumgartner lebt ihre Faszination für die einstige Hollywood-Ikone – mit einem Augenzwinkern ebenso wie mit achtsamer Ernsthaftigkeit.
Wie aus einer heute 38-Jährigen ein ausgewiesener Marilyn-Monroe-Fan geworden ist – und inzwischen gar ein Double der 1962 verstorbenen Hollywood-Ikone? Nun, die Spur führt zu den Großeltern Jennifer Baumgartners, „die haben mir viel von den 40er- und 50er Jahren erzählt, von der Musik, und vor allem wie sie damals dazu getanzt haben.“
Besonders Boogie-Woogie hat es Jennifer Baumgartner angetan. Als Tanz der Jugend von US-Soldaten in der harten Nachkriegszeit nach Europa gebracht, frönt die Zellerin heutzutage dem flotten Swing-Derivat auch selbst, gemeinsam mit ihrem Lebenspartner. „Meine Großeltern sind jetzt 87 und noch fit – das Boogy-Woogy-Tanzen bedeutete für sie und ihre Generation ein bisschen Freiheitsgefühl nach den schlimmen Kriegsjahren“. Wenn sie davon erzähle, bekäme sie immer Gänsehaut, meint Jennifer Baumgartner und streicht sich über die Unterarme.
Tja, und wenn man sich für jene damalige Zeit interessiert, kommt man nicht an Marylin Monroe (1926 – 1962) vorbei. Dem Fotomodell gelang 1950 der Durchbruch als Filmschauspielerin, sie wurde zum Weltstar, zur Popikone und zum archetypischen Sexsymbol des 20. Jahrhunderts. „Von Marilyn war ich schon immer begeistert, absolut hin und weg, auch schon als Kind“, erinnert sich Jennifer Baumgartner und schmunzelt, „man sieht es ja in der Wohnung, wenn man sich umschaut.“
Und tatsächlich: Überall steht oder hängt etwas an der Wand, das mit Marilyn zu tun hat. Beispielsweise ein weißes Trägerkleid, das Jennifer Baumgartner von einer Schneiderin einem weltberühmten Monroe-Outfit hat nachempfinden lassen: Jenem Kleid, das in einer legendären Szene des Films „Das verflixte 7. Jahr“ über einem New-Yorker U-Bahn-Schacht hochgeweht wird. Die dabei entstandenen Fotos dürften zu den bekanntesten des vergangenen Jahrhunderts gehören.
Vielschichtig
Keinesfalls aber will die Zeller „Fanin“ ihr Idol auf die Facette des Sexsymbols und schon gar nicht auf ein „dummes Blondchen“ reduziert sehen. „Sie war zum Beispiel sehr belesen“ betont die gelernte zahnmedizinische Fachangestellte, die in einer Medizintechnikfirma tätig ist. „Und in einer Zeit, in der Frauen unter den Tisch gestellt wurden“, habe sich Marilyn durchgesetzt: schlagfertig, selbstbewusst und emanzipiert. Aus ärmlichen Verhältnissen kommend, hatte sie eine überaus schwierige, unstete Jugend durchlebt.
Wie von einer Freundin spricht Jennifer Baumgartner von dem Weltstar, der an einer Barbiturat-Überdosis starb – stets spricht sie von „Marilyn“, sagt niemals „Die Monroe“. Der wird de facto ein IQ nachgesagt, der den Albert Einsteins übertrifft. Es war Hollywoods 20th Century Fox, die die später vielfach ausgezeichnete und hoch gelobte Schauspielerin auf den Typ der naiven, lasziven Blondine festgelegt hatte. Von diesem Image konnte sie sich nie ganz befreien, litt darunter.
Bei ihren Auftritten als Marylin-Monroe-Double ist es Jennifer Baumgartner daher wichtig, „eine Art Schutzmantel“ um ihr wunderschönes Idol zu legen: „Weil sie nicht mehr unter uns ist, kann sie sich nicht mehr wehren.“ Auch vor dem Hintergrund, dass „viele junge Leute die Marilyn gar nicht mehr kennen.“
Wenn die im Neckar-Odenwaldkreis wurzelnde Wahlzellerin ihr Äußeres dem der verstorbenen Ikone ähnlich sehen lässt, gibt es daher eindeutige Grenzen für sie. „Ich lasse mich nicht als Sexsymbol ankündigen und tu´ auch nicht auf Dummchen, da heißt es bei mir eindeutig: Stopp!“ Dennoch betrachtet sie ihr Double-Tun mit einem Augenzwinkern: „Ich nehme zwar die Marilyn ernst, mich selbst dabei aber weniger – das ist ein Spaß, den ich als leidenschaftliches Hobby betreibe.“ Was wiederum zum – unter anderem – komödiantischen Talent passt, für das die echte Marilyn zu Lebzeiten hohe Auszeichnungen erhielt.
„An meiner Geburtstagsfeier zuhause hatte ich letztes Jahr die Idee, mal die Marilyn zu sein“, erzählt die Zeller Getreue davon, wie sie zur „Doppelgängerin“ wurde und lacht: „nach außen hätte ich mich das da noch nicht getraut. Und ursprünglich sollte das auch nur eine einmalige Sache sein, weil meine Lebenssituation das jetzt erlaubt.“
Also ließ sie sich das weiße Kleid nähen, das bei Nicht-Gebrauch als besondere Dekoration an der Wand hängt. Sie besorgte sich Perücken: „Ich bin von Natur aus brünett, wie die Marilyn auch – aber ich wollte mich nicht weißblond färben lassen, das macht die Haare kaputt.“ Und sie schminkte sich.
Erst im Schutz des Zuhauses
Von dem Ergebnis waren die Geburtstagsgäste fasziniert, vor allem Karl Hoferer. Der Biberacher nimmt an Sportkursen teil, die Jennifer Baumgartner nebenberuflich als Fitnesstrainerin erteilt. Und als Oldtimerfan und selbst Oldtimer-Besitzer organisiert er Oldtimertreffen. So beispielsweise zum 50-jährigen Jubiläum des Biberacher Heimatmuseums im vergangenen Mai. Zu diesem Anlass gelang es ihm trotz anfänglichen Widerstands, Jennifer Baumgartner zu ihrem ersten offiziellen Auftritt als Marilyn-Double zu überreden.
„Ich war furchtbar aufgeregt“, gesteht sie. Doch aufgrund der durchweg positiven Resonanzen auch in ihrem privaten Umfeld hat sie inzwischen weitere solcher Auftritte absolviert, unter anderem in Breisach und bei den Baden-Baden-Classics, dem traditionellen Oldtimertreffen mit seinen jährlich bis zu 20.000 Besuchern. Denn Oldtimer und Marilyn Monroe, „das passt einfach.“ Wobei die Oldtimersaison von Mai bis spätestens Okto ber läuft, des Wetters wegen.
Für kühle Witterung will sich die „doppelte Marilyn“ einen bodenlangen weißen „Pelz“ in dem Look zulegen, wie ihn die echte Marilyn dereinst trug. Bei richtig heißem Wetter – wie im Juli bei den Baden-Baden-Classics – hat Jennifer Baumgartner ein gänzlich anders gelagertes Problem.
Eines, das beim Sich-Herrichten anfängt. Zwei Stunden dauert es normalerweise, bis die – nach langwierigem Recherchieren gefundene – hochgeschlossen weiß-beige Miederwäsche im Original-Marilyn-Stil angelegt ist, desgleichen das weiße Trägerkleid. Bis die Haare hochgesteckt sind, die Perücke richtig sitzt und festgesteckt und frisiert ist, „und bis ich mich geschminkt habe.“
An jenem Tag aber rann ihr der Schweiß aus allen Poren, die eigentlich wasserfeste Farbe und die falschen Wimpern wollten und wollten einfach nicht halten. Des Doubles letzte Rettung sei dann gewesen, etwas auszuprobieren, das sie irgendwo einmal gesehen hatte: „Ich hab´ die Augen zugemacht und mir Haarspray aufs Gesicht gesprüht“, lacht Jennifer Baumgartner, daraufhin habe endlich alles gehalten.
Hitze-Rallye
Damit allerdings war die Odyssee noch nicht zu Ende. Denn eine der Hauptaktivitäten „beim Marilyn-Sein“ ist das lächelnde Posieren an den Oldtimern – was an den in der prallen Sonne stehenden und somit brennend heißen Karosserien durchaus schmerzhaft war, „es war einfach affig heiß!“
Obendrein stand – für das Double ohne jede vorhergehende Ankündigung – ein anstrengendes Shooting mit professionellen Fotografen an. Ebenfalls unter sengender Sonne, und bitte immer schön lachend. „Die kamen dann auf die Idee, dass ich das berühmte Bild mit dem hochgewehten Kleid nachstellen soll“, lacht Jennifer Baumgartner noch immer fassungslos, „dazu hat jemand doch tatsächlich einen Laubbläser aus seinem Oldtimer geholt und mir den unter den Rock gehalten.“
Dass sie zwar Grenzen setze, aber auch viel Spaß mitmache, resümiert die lebhafte Frau mit dem offenen Blick. Dazu gehört, als Double das Marilyn-Monroe-Portrait auf ihrem Oberschenkel zu zeigen, in einer schmerzhaften Prozedur von einem jungen Stuttgarter Künstler eintätowiert. Mit einem inneren Augenzwinkern zieht Jennifer Baumgartner dann einen Zipfel ihres Kleides hoch. Aber nur bis zum oberen Ende des Portraits, „bis hier hin und nicht weiter“: Da ist sie wieder, die Grenze zu ihrem eigenen Schutz und dem ihres Idols.
Als dessen Doppelgängerin tritt sie inzwischen zwar auch auf Boogie-Woogie-Events auf, doch zunächst einmal freut sich die Mutter zweier Teenager auf das nächste Oldtimertreffen am 24. September in Baden-Baden. Wobei ihre generelle Botschaft lautet: „Ich möchte bei jungen Leuten ein bisschen Werbung machen, damit diese damalige Zeit wieder auflebt. Es wäre schade, wenn das alles verschwindet.“


