»Von außen ist nicht viel zu sehen«, resümiert Architekt Christian Bruder zu den Sanierungsmaßnahmen des Nordracher Rathauses, »das meiste ist innen passiert.« Von Juni bis März dauerten die Arbeiten, bei laufendem Betrieb.

Bis auf einen optisch zurückhaltenden Anbau an der Nordseite sowie eine Rundum-Erneuerung von Fassadenfarbe, Fenstern und Eingangstür ist von außen tatsächlich – scheinbar – nicht viel zu sehen. Umso mehr hat sich im Inneren des altehrwürdigen Gebäudes verändert.
Die Flurbereiche wurden großzügiger gestaltet, ein behindertengerechtes WC im Erdgeschoss eingerichtet. Die gediegene Holztreppe ist einem neuen Treppenturm mit Aufzugsanlage gewichen. Unverändert blieben die Büroräume im ersten Obergeschoss, im zweiten aber wurden ein Sitzungssaal mit Teeküche und Toilettenanlage sowie zwei neue Büros eingerichtet, das im Rohzustand verbliebene Dachgeschoss erhielt eine thermische Isolierung. Zudem wurde im ge­samten Haus die Verkabelung modernisiert, wurden Boden- und Wandanstriche erneuert.

»Wenn wir uns mit einem neuen Projekt befassen, dann erfolgt als erstes die Grundlagenermittlung, die Recherche«, erklärt der ausführende Architekt Bruder. Denn es gilt das Alter des Gebäudes herauszufinden und ob es unter Denkmalschutz steht. Im Falle des 1836 errichteten Nordracher Rathauses war jedoch bekannt, dass es als Kulturdenkmal eingetragen ist.

Beim Denkmalamt ist immer auch festgehalten, was genau die Denkmaleigenschaften eines Gebäudes sind. Christian Bruder erläutert: »Es kann ja sein, dass es bereits einige Male umgebaut wurde und inzwischen nur noch einige Teile unter Denkmalschutz stehen«. Im von einem Krüppelwalmdach behüteten Nordracher Rathaus gilt das beispielsweise für die Fassade mit ihrer Pilastergliederung. Pilaster – das sind angedeutete Stützsäulen.

Historische Baupläne existieren nicht mehr

Auch im Inneren muss genau abgeklärt werden, was denkmalgeschützt ist. Dort, wo sich heute das »Zimmer 1« – das Bürgerbüro – befindet, war früher die Gemeindeverwaltung untergebracht. Darüber befanden sich zwei Schulsäle, im Obergeschoss wohnte der Lehrer. »Das war eine statisch klare, konsequente Aufteilung«, so der Baufachmann: Eine klare Gliederung, die im unteren Bereich auch heutzutage noch besteht.
All dies stellte sich im Detail bei einer Begehung heraus, denn die alten historischen Baupläne existieren nicht mehr – nichts Außergewöhnliches, wie der in Sachen Denkmalsanierung erfahrene Architekt nur zu gut weiß. Weder Gemeindearchiv noch der historische Ortsverein und Ortshistoriker konnten weiterhelfen. »In so einem Fall muss man beim Baurechtsamt nachforschen, ob dort Bestandspläne vorliegen« – diese existieren dann, wenn im Zuge vorheriger Umbaumaßnahmen bereits eine Bestandsaufnahme gemacht und festgehalten wurde, erklärt der Fachmann.

Die seinem Architekturbüro gestellte und mit Fachingenieuren verschiedener Richtungen gemeisterte Aufgabe bestand in der barrierefreien Erschließung sowie der energetischen Sanierung – denn dafür wurden dem Rathaus Fördermittel aus einem sogenannten Ausgleichsstock bewilligt.

Das A und O: denkmalgerechte Nutzung

»Barrierefrei« bedeutet eine rollstuhl- und altengerechte Erschließung. Ebenso wie bei der wärmetechnischen Modernisierung lautet bei einem Baudenkmal immer die Frage: »Was für Möglichkeiten haben wir und wie kann man sie umsetzen«, erklärt Bruder die Abstimmungsnotwendigkeit sowohl mit dem Denkmal- als auch mit dem Baurechtsamt.

Wobei nicht nur die Umbaumaßnahmen denkmalverträglich sein müssen, sondern auch die Nutzung. Letzteres sei das A und O, damit ein Baudenkmal überhaupt erhalten werden könne, erläutert der Mann mit der Leidenschaft für alte Gemäuer, »und das ist oftmals schwierig, gerade bei uns hier in der Gegend auf den Höfen, die teils bis zu vier- oder fünfhundert Jahre alt sind.«

Im Nordracher Rathaus allerdings war das kein Thema. Das Hauptproblem bestand vielmehr in der barrierefreien Erschließung. Die war nur durch einen Aufzug zu realisieren, dessen Installierung einen Anbau an der nun aufgewerteten Nordseite erforderte – auch wenn man dort ob des geringen Abstands zum Nachbargrundstück »etwas eingeschränkt« war.

Hilfe dank alter Fotos

Zuvor aber galt es, den regulären Bauantrag zu stellen. Für den war eine Baugesuchsplanung nötig. Christian Bruder breitet einen Plan aus und deutet auf gelbe Linien. Diese markieren sogenannte Bestandswände, die in dem Denkmalgebäude vorhanden waren und nun abgeändert worden oder entfallen sind und auf Betreiben des Denkmalamts genauestens dokumentiert werden mussten. »Deshalb haben wir jede einzelne dieser Wände aufgemacht, das Fachwerk freigelegt, alles komplett vermessen und anschließend zeichnerisch dargestellt«, gibt Bruder einen Einblick in den notwendigerweise betriebenen Aufwand.

Viel Augenmerk galt auch den 30 bis 40 Jahre alten Fens­tern, die bei einer Erneuerung die bislang verloren gegangene historische Fensterteilung wieder aufweisen sollten. Wie aber sah diese aus? Alte Schwarz-Weiß-Fotos, die der Architekt von Bekannten auftrieb, lösten das Problem.

Blieben noch neue Lamellen-Fensterläden – nicht aus witterungsbeständigem, der Holzoptik nachempfundenem Aluminium, sondern aus echtem Holz. Auch darauf bestand das Denkmalamt. Wegen der Vorbildfunktion, die eine Gemeinde in Sachen Denkmalschutz bei einem öffentlichen Gebäude habe.