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Nein, ich rede nicht von den Menschen, die zu uns kommen, weil Krieg, Not und Klimakatastrophen sie aus der Heimat vertreiben. Es ist schlimm genug, dass so viel aus unverständlichen Gründen zerstört wird. Warum können wir Menschen nicht dazulernen?
Ich sah heute Morgen eine große Schar Misteldrosseln, die vor der sibirischen Kälte, die uns nun auch erreicht, wieder nach Westen geflohen waren. Noch vor Jahren gab es bei uns ein reiches Nahrungsangebot für die Wintergäste. Aus den Hecken leuchteten rot die Beeren von Schneeball, Eberesche, Eibe und Heckenrose, an den Bäumen hing das Obst vom letzten Herbst. Heute ist alles verschwunden! Die so notwendigen Hecken gibt es nicht mehr. Kirschlorbeer mit seinen giftigen und sehr farbigen Beeren, die überall Dreck machen, hat die anderen Hecken vertrieben. Unsere Gärten und Straßenränder sind so eintönig und sauber wie die Felder. Viele klagen über den Verlust der Artenvielfalt, dabei sind wir es doch selber, die den letzten Rest der Natur zerstören. 95 Prozent der Lebewesen sind plötzlich verschwunden, wohl viel schneller als die Naturschützer es mitbekamen.
Nun ist unsere Landschaft ein Hungergebiet, obwohl sie so reich sein könnte. Hunger kennen wir doch gar nicht mehr, aber die Lebewesen um uns verhungern! Das geht so nicht! Wir schneiden die so wichtige Nahrungskette am unteren Ende ab. Das fällt nicht sofort auf, aber in wenigen Jahren wird die Nahrungskette verdorren und Hunger und Not breiten sich aus. Es ist lange nach 12.00 Uhr, aber immer noch könnten wir etwas tun: Hecken pflanzen, die Beeren tragen, Blumen säen und den Rasen nicht so oft mähen. Das würde die Not in der Natur verringern und so wenig kosten.
Die Vogelschwärme ziehen umher und suchen nach Nahrung. Vogelkundler freuen sich daran, dass man doch noch Vögel sieht und die Störche zurückkommen. Aber wo sind Hecken und Gebüsche, in denen die Singvögel brüten könnten. Die Elstern sind stark genug öffentlich zu brüten, aber alle anderen brauchen Verstecke (!). Noch nie habe ich erlebt, dass man sich derart bemüht, vor dem 1. März wirklich jede Hecke zu zerstören! Es ist unglaublich! Was ist denn in uns gefahren? Auf den Äckern keine Beikräuter mehr, keine Hecken, keine Beerensträucher – das kann schon im nächsten Jahr keine Vögel mehr bedeuten. Der stumme Frühling ist ganz nahe herbeigekommen.
Die Vögel werden zum großen Teil verhungern. Man wird keine toten Vögel finden, denn sie sterben irgendwo ganz versteckt. Die Elstern begleiten die Schwärme. Sie sind auch hungrig und wissen, dass sie an dem
»Todesmarsch« der Vögel reiche Beute finden werden!
Gottfried Zurbrügg,
Zell a. H.