Was mit dem modernen Begriff Patchwork belegt ist, eine Jahrtausende alte Geschichte hat und wie fröhlich gemixt aussieht, erfordert viel Planung, Hingabe und Akkuratesse. Anno 1994 war es, dass sich Irmtraud Bischler in ihr Hobby verliebte.
Neulich sah man Irmtraud Bischler in der töchterlichen Physiotherapie-Praxis mit einer ihrer Arbeiten sitzen: einer Patchworkdecke, die für den Geburtstag eines Enkels bestimmt war. Das Schmuckstück erntete begehrliche Blicke.
Wohl dem also, der mit der 66-Jährigen befreundet, verwandt oder sonstig verbunden ist und Handarbeitskunst zu würdigen weiß. Die Rentnerin verschenkt nach eigenem Bekunden »sehr viele« ihrer Kreationen, »weil das dann sehr persönliche Geschenke sind«. Zuvor jedoch wird ein Bild von dem jeweiligen Werk gemacht. Einen ganzen DIN-A4-Ordner füllen die fotografierten Dokumentationen inzwischen.
»Habt Ihr noch Lust, mit Patchwork anzufangen?« Mit dieser Frage am Ende ihrer berufsbegleitenden Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin hatte Irmtraud Bischlers Leidenschaft dereinst begonnen. Eine Lehrerin hatte die Frage gestellt. »Damals haben wir mit dem Einfachsten angefangen, und das ist das Blockhaus«, erinnert sich die gebürtige Steinacherin, die im Mehrschichtbetrieb in einer Durbacher Rehaklinik gearbeitet hatte, heutzutage in Mühlenbach wohnt und seit fünf Jahren an Zells Hobbykünstlermarkt teilnimmt.
Blockhäuser, das waren jene einfachen Wohnstätten, die nordamerikanische Siedlerfamilien in der Wildnis erbauten. Unter ihnen die Amish People, die aus Süddeutschland, dem Elsass und der Schweiz stammten, aufgrund religiöser Verfolgung auswanderten und noch heute in sehr einfachen religiösen Gemeinschaften in Pennsylvania leben, unter bewusst komfortlosen Bedingungen. Aus der ursprünglichen Notwendigkeit heraus, auch kleinste Reste von Stoffen oder noch brauchbare Teile abgetragener Kleidung für das Nähen wärmender Decken zu verwenden, entwickelten sie Patchwork zu einer eigenständigen Handarbeitskunst.
»In der Mitte eines Blockhauses ist die Feuerstelle«, erzählt Irmtraud Bischler von der Bedeutung jenes Flickenmusters, bei dem ein mittig liegendes – und oftmals rotes – Quadrat die besagte Feuerstelle symbolisiert. Die regelmäßigen, schmalen Streifen wiederum, die das Quadrat umgeben, stellen die Baumstämme dar, aus denen die Wände eines Blockhauses bestehen.
Muster mit Bedeutung
»Von diesen Blockmustern gibt es verschiedene«, erklärt die Patchwork-Begeisterte. »Sie erzählen etwas, das ist wie eine kleine Geschichte. Diese Technik hat mich immer wahnsinnig fasziniert.« Gerne hätte sie sich in ihrer Einstiegszeit in Kursen weitergebildet, dazu aber fehlte ihr die Zeit. Also behalf sie sich mit Fachzeitschriften und dem Internet. Über Letzteres hole sie sich heutzutage gerne Ideen, erzählt die Frau, die von Stoffläden magisch angezogen wird und dennoch auch in dieser Hinsicht nicht ohne das Internet auskommt: »Wenn ich bestimmte Kontraststoffe brauche, dann muss ich schon ziemlich suchen.«
Tischläufer, Topflappen, Taschen und Wandbehänge »patchworked« sie. Vor allem aber Decken haben es ihr angetan – kein Kind in ihrer großen Verwandtschaft, das nicht ein solches unter ihren Händen entstandene Kuschelteil hätte. Natürlich auf die individuellen Vorlieben des glücklichen Empfängers abgestimmt. Für kleine Auto- oder Fußballfans kopiert die Kreative kurzerhand Fotos von Karosserien respektive Fußballmannschaften auf Stoff und stimmt die Farben und Muster aller übrigen verwendeten Flicken auf dieses Motiv ab. Aus unzähligen Teilen setzt sie gleichgroße Quadrate zusammen, die schließlich zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden.
Kreative Geduld
Alleine das Planen der Zusammenstellung dauert unzählbare Stunden. Dazu steckt die Hobbykünstlerin die einzelnen Stoffteile zunächst auf einem großen Laken fest, »und dann steige ich auf einen Stuhl, um mir das Ganze von oben zu betrachten. Oder ich leg’s auf dem Boden aus.« Häufig arrangiert sie immer wieder um und/oder stellt fest, »dass noch was anderes dazu kommen muss. Und ich muss alles auch mal bis zum nächsten oder übernächsten Tag liegen lassen, um zu sehen: gefällt’s mir oder gefällt’s mir nicht?« Wobei sie die einzelnen Quadrate grundsätzlich diagonal anordnet – der Dynamik wegen.
Sind die Flicken zusammengenäht, kommt die Unterpolsterung an die Reihe. Die kann beispielsweise aus Wolle, Baumwolle und Federn bestehen. In früheren Jahrhunderten waren es auch Blätter und Stroh. Irmtraud Bischler verwendet Vlies in einer Stärke von ein bis drei Millimetern. Das wird auf einem sogenannten Unterstoff ausgebreitet, für den sie Großmutters warme weiße Bettwäsche umarbeitet. Das Vlies wiederum wird von der »Schauseite« bedeckt: von dem aus den zusammengenähten Stoffteilen bestehenden Oberblatt. Spezielle Nadeln sorgen dafür, dass nichts verrutscht.
Nun kommt das Quilten an die Reihe, das der Fixierung dienende und obendrein dekorative Steppen mit Nadel und Faden also. »Das mache ich am liebsten mit der Hand«, so die lebhafte Renterin, der man auf dem Hobbykünstlermarkt bei ihrem Tun an einer in Arbeit befindlichen Decke wird zuschauen können. »Man muss aber nicht jede einzelne Stoffverbindungsnaht des Oberblatts nochmal absteppen«, betont sie, zumal gerade Decken dann »kuschliger« blieben.
Ist das Werk schließlich fertig gestellt, wird es gewaschen und – ausdrücklich nur dieses eine einzige Mal – gebügelt. Nach jedem weiteren Waschen dagegen heißt es, das gute Stück einfach nur von Hand glatt zu ziehen. Denn: »Dieses leicht Krumpelige gehört zum Patchwork einfach dazu.«
»Das, was ich mache, sind aber eher einfache Sachen«, betont Irmtraud Bischler, »und es ist auch nicht immer so ganz exakt genäht«. Im Gegensatz zu den Arbeiten von Profis, die in dieser Technik sogar Bilder erstellen. Auch empfiehlt sie, sich einmal im Internet jene Quilts anzuschauen, die Amish People noch heutzutage herstellen. »Ich hätt’ mir gewünscht, mal ein halbes Jahr zu denen zu gehen und bei denen lernen zu können«, schwärmt sie von Kunstwerken, deren kleinteilige Präzision ins Staunen bringt.
Hobbykünstlermarkt
Der Zeller Hobbykünstlermarkt mit rund 25 Ausstellern findet am verkaufsoffenen Wochenende im großen Saal des Kulturzentrums »Obere Fabrik« statt: am Samstag, 11. November, von 12 bis 18 Uhr und am Sonntag, 12. November, von 12 bis 17 Uhr.

